Ulrich Retzki Berlin Kanzlei für Versicherungsrecht

Anfechtung BU durch Versicherer

Was tun, wenn die Versicherung den Berufs­unfähigkeits­versicherungs­vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechtet

Zurück zur Artikelliste

Wenn der Versicherungsnehmer berufsunfähig wird und bei seinem Versicherer einen Antrag auf BU-Rente und beitragsfreie Vertragsfortführung stellt, dann prüft der Versicherer regelmäßig, ob er Chancen hat, sich von seiner Leistungspflicht dadurch zu befreien, dass er die Anfechtung des Vertrages erklärt.

In vielen Fällen wird die Anfechtung darauf gestützt, dass der Versicherer seinem Kunden eine arglistige Täuschung vorwirft. Dabei nimmt der Versicherer zunächst die ärztlichen Behandlungen seines Kunden in den Jahren vor dem Abschluss des Versicherungsvertrages unter die Lupe. Dazu fragt er bei Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen nach. Deren Auskünfte überprüft der Versicherer darauf, weswegen sein Kunde in Behandlung war, welche Beschwerden sein Kunde genannt hat und von welchen gestellten Diagnosen auszugehen war.

Dann vergleicht der Versicherer sein aus diesen Auskünften gewonnenes Ergebnis mit den Angaben seines Kunden in dem seinerzeitigen Antrag, in dem dieser unter anderem zu den „Gesundheitsfragen“ Angaben zu machen hatte. Der Versicherer prüft dabei mit Argusaugen, ob er seinem Kunden entgegenhalten kann, dass irgendein Nein bei den Gesundheitsangaben sich als fehlerhaft erweist, d.h. der Versicherungsnehmer wegen Beschwerden ärztlich behandelt wurde, ohne dass sich im Antragsformular Angaben finden.
Die möglichen Gründe, warum eine Angabe nicht gemacht wurde, sind vielschichtig. Die Folgen können im Ergebnis auch harmlos sein. Der Versicherer hat jedoch ein prinzipielles Interesse, nach Möglichkeit leistungsfrei zu sein. Wenn er es so sieht, dass gesundheitsrelevante Angaben fehlen, erklärt er vielfach die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und lehnt seine Leistung ab.

Unterlagen aufbewahren

Ich hatte schon mal einen Versicherten als Mandanten, der in der Situation all seine Vertragsunterlagen schlicht wegwarf. Ein Jahr später besann er sich, und fragte ob sich noch etwas machen lässt. Mein Rat: Werfen Sie Ihren Vertrag nicht weg! Wir brauchen ihn noch, denn es ist nichts verloren.

Es gibt natürlich Fälle, in denen einem Versicherten wirklich keine Leistungen zustehen, weil die Versicherungsgesellschaft den Vertrag – rechtlich wirksam – wegen arglistiger Täuschung angefochten hat. Vor allem kommen Fälle in Betracht, in denen erhebliche Vorerkrankungen verschwiegen wurden, und in denen dieses Verschweigen unentschuldbar ist. Der Versicherer ist in solch einem Fall auch leistungsfrei, wenn die Krankheit, die verschwiegen wurde, nicht entscheidend, d.h. nicht kausal, für den Eintritt der Berufsunfähigkeit gewesen ist.

In nicht wenigen Fällen aber erweist sich später, dass der Versicherer die Anfechtung voreilig und nicht begründet erhoben hat. Eine solche Anfechtung geht „ins Leere“, d.h. bleibt ohne Wirkung. Der Versicherte bekommt die ihm zustehende Leistung genau so, als wenn die Anfechtung gar nicht erst erklärt worden wäre.
Meistens geht es in der Praxis um Einzelfallfragen, z.B. ob in dem Versicherungsantrag aus dem Jahr x zu den Gesundheitsfragen objektiv fehlerhafte Angaben vorlagen, da der Versicherte vor dem Zeitpunkt der Antragstellung z.B. schon mal wegen Vorerkrankungen wie Asthma, rezidivierender Bronchitis etc. behandelt wurde, einige Zeit Medikamente wegen Atembeschwerden verordnet bekam, sowie innerhalb von 3 oder 5 Jahren vor Antragstellung ärztlich behandelt worden war. Oder es stellt sich heraus, dass der Versicherte seit Kindestagen eine, ggf. fast vergessene, Beschwerde hat, oder mal eine Sportverletzung erlitten hat.
Im Interesse der Versicherung an genauer Abschätzung des übernommenen Risikos wird die Wahrheitspflicht des Versicherungsnehmers bei Beantwortung des ausführlichen Fragebogens weit ausgedehnt. Bei arglistiger Täuschung kann sich der Versicherungsnehmer auch nicht auf eine, sonst häufiger eingreifende, Nachfrageobliegenheit der Gesellschaft berufen.

Was ist bei Abschluss der Versicherung anzugeben?
Typische Fälle: Die Verneinung von Vorversicherungen und bekannten Vorerkrankungen des Antragstellers ist eine Täuschung. Bei Stellung eines Antrags sind körperliche Beschwerden und ärztliche Behandlungen der letzten Jahre auch dann anzugeben, wenn sie nicht als schwerwiegend betrachtet werden. Alkoholabhängigkeit ist bei der konkreten Frage nach Suchterkrankungen anzugeben. Für eine wirksame Anfechtung ist stets erforderlich, dass der Versicherungsnehmer auf den Willen der Gesellschaft über die Annahme des Antrags Einfluss nehmen will. Das kann beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung nur dann der Fall sein, wenn schwere Krankheiten verschwiegen werden, nicht jedoch leichte. Eine solche schwerwiegende Krankheit ist auch z.B. ein Rückenleiden, das zwei Jahre zuvor eine längere Arbeitsunfähigkeit verursacht hatte; die Arglist ergibt sich etwa daraus, dass der Versicherungsnehmer gleichzeitig belanglose Erkrankungen angegeben hat. Ebenso ist die Bagatellisierung eines langjährigen Rückenleidens eine Täuschung. Ein Krankenhausaufenthalt muss selbst dann angegeben werden, wenn er keine Erkenntnis gebracht hat. Anders ist es aber, wenn der Versicherungsnehmer ein psychisches Leiden in Unkenntnis der diesbezüglichen Diagnose des Arztes nicht angibt, weil er ihn nur wegen Schlafstörungen aufgesucht hat.

Der Versicherte muss eine Anfechtung des Versicherers so beantworten können, dass sich die Anfechtung als falsch erweist.

Rechtsanwalt einschalten ist meist geboten
Die Hilfe eines auf diesem Gebiet erfahrenen Rechtsanwalts ist dabei ein großer Vorteil.
Denn es fällt z.B. dem Versicherten nicht ohne weiteres leicht, eine schlüssige Erklärung dafür zu geben, warum z.B. eine Bronchitis oder eine dermatologische Behandlung nicht angegeben sind, oder er sich trotz z.B. einer ehemals chronifizierten Erkrankungen und der Nutzung eines Medikaments wegen der Beschwerden bei Antragstellung als gesund bezeichnet hat. Wer – die Gesellschaft oder ihr Kunde - was genau zu beweisen hat, spielt dabei eine größere Rolle. Das gilt z.B. auch für die oft nicht klare Frage, ob der Vermittler, der für die Firma A oder B tätig ist, als Versicherungsvertreter gehandelt hat, oder als Versicherungsmakler aufgetreten ist, und damit der Seite des Versicherten zuzurechnen wäre. Es bedarf einer guten Einzelfallanalyse, um sich sinnvoll zu erklären und um nicht beweisfällig zu bleiben.

Einen Täuschungsvorsatz muss man ausräumen können, wenn ein Fall sich so darstellt, dass u. U. schwere Erkrankungen verschwiegen worden sein können, die als offensichtlich erheblich für das Versicherungsrisiko erscheinen mussten. Dagegen z.B. einzuwenden, dass der Vermittler den Antrag „ganz schnell“ ausgefüllt habe, ist in Ordnung und wird häufig stimmen, reicht aber bei weitem nicht aus, um der Mutmaßung einer Täuschung wirkungsvoll zu begegnen.

Ich empfehle sehr, auf ein Anfechtungsschreiben nicht wütend und kurzentschlossen zu reagieren. Damit erweist man sich einen denkbar schlechten Dienst. Nehmen Sie sich jetzt Zeit, und handeln Sie genauso besonnen und strategisch wie die Versicherungsgesellschaft. Denn nur „Waffengleichheit“ kann zum guten Ende führen.

Ulrich Retzki
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Rechtsanwalt